Satura Iuliana – Zweijahresbilanz


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09.02.2002

Zweijahresbilanz / Editorial

zur Eröffnung dieser neuen Seite

F.C.

Über zwei Jahre sind vergangen seit dem Erscheinen von «War Jesus Caesar?» – Zeit, um eine kleine Bilanz zu ziehen.

Das Buch hat sich anständig verkauft, kein Bestseller aber auch kein Flop.
Immerhin sind einige Leute auf das Buch aufmerksam geworden, mehrere haben sich mit Briefen, E-Mails und im Forum gemeldet – dabei waren einige ganz wertvollen Hinweise, die uns weiter gebracht haben.
Einige Leser, inzwischen Freunde, haben angefangen, Teile des Buches in andere Sprachen zu übersetzen – was ein gutes Zeichen ist. Wie einer von ihnen mir sagte: "Es ist jetzt nicht mehr nur Deine Sache, sondern auch unsere". Das ist sehr erfreulich.

Die Presse hat bis jetzt mäßig darüber berichtet, die Historiker fangen gerade an, das Buch zu entdecken. Dies ist nicht verwunderlich.
Erstens verlangt die Äquation Jesus = Divus Julius einen Paradigmawechsel, und zweitens gab es in der letzten Zeit allzu viele Theorien, die sich als revolutionär gaben und bald als abwegig erwiesen, so daß die vernünftigen Leute lieber beim Alten bleiben, als daß sie dem nächsten Scharlatan nachlaufen.

Wir hatten auch die zweifelhafte Freude, aus den falschen Gründen bejubelt zu werden – etwa von Chronologiekritikern, Esoterikern oder Antiklerikalen, um nur diese zu nennen. Zum Glück haben die meisten schnell begriffen, daß wir uns nicht unbedingt dazu eignen, vor ihrer Karre gespannt zu werden, und suchen sich inzwischen andere Ochsen dafür.

Nun können wir unsere Sache in Ruhe angehen.

Sie hat aber zwei Enden.
Das eine ist, besser zu begreifen, was passiert ist, wie es dazu kam, daß Divus Julius zu Jesus wurde – eine religionshistorische Frage.
Das andere, die Konsequenzen aus dieser Aufdeckung zu ziehen: Was lernen wir daraus? – eine praktische Frage.

Nicht jeder muß sich mit beiden beschäftigen.
Den meisten wird das erste reichen. Es ist das naheliegendste und natürlichste.
Das zweite wird manchem überflüssig vorkommen, nach dem Motto: Die Konsequenzen soll jeder für sich ziehen.

Es gibt auch welche, die befürchten, man könne die Kenntnisse über die Entstehung des Christentums aus dem Kult des Divus Julius zum Zwecke einer neuen Reformation mißbrauchen, was "den Spuk" nur fortsetzen würde – wie sich neulich ein "areligiöser" Diskutant äußerte.
Andere allerdings sehen in Religion nicht unbedingt etwas an sich Böses, sondern eher ein Feld, wo entgegengesetzte Kräfte gegeneinanderstoßen – so daß sie meinen, der Kult des Divus Julius sei historisch weniger belastet als die aus ihm ausgegangenen und ihn überlagernden Religionen, wie das Christentum oder der Islam.

Man kann geteilter Meinung sein. Um beiden Tendenzen gerecht zu werden, falls überhaupt möglich, werden wir fest auf der ersten Schiene bleiben – der religionshistorischen –, und ersteinmal nur zeigen, welche anderen Ansätze historisch ausprobiert wurden, und wo der Kult des Divus Julius noch aufzuspüren ist, außerhalb der Orthodoxie, der Liturgie, und auch der Religion.

Dadurch werden wir andere Felder streifen. Nachdem wir den Akzent auf den verschollenen Divus Julius gesetzt haben, wollen wir die anderen Aspekte Caesars nicht vernachlässigen, weder den Strategen noch den Schriftsteller, weder den Asketen noch den Lebemann.

Vor allem wollen wir uns nicht ständig auf das eine Thema oder auf ihn fixieren. Denn schließlich kümmerte er sich nicht ständig um Religion oder um sich selbst, sondern eigentlich um alles. So werden auch wir nicht nur über Gott, sondern auch die Welt reden – auf die Gefahr hin, wie jene zu tun, die am Stammtisch oder in den Medien sie ständig in Ordnung bringen.
Heiter war er, nicht verbissen, Disziplin verlangte er nur in Anwesenheit des Feindes, ansonsten war Ausgelassenheit angesagt. Gaya scientia, also – und gelegentlich Satire.

Sei es nun, daß wir uns von ihm inspirieren lassen, sei es, daß wir selbstvertrauend unsere eigenen Wege gehen, so oder so müssen wir nicht borniert sein. Monokultur ist das Ende der Kultur.

Während wir also die Ruinen des Tempels wieder rekonstruieren, dürfen wir auch im verwilderten Garten nebenan roden, und gelegentlich in der Ebene Ausschau halten, was sonst herannaht und auf uns zukommt.

Denken wir lieber nicht daran, was alles zu tun wäre: Es erschlägt einen schon beim Darandenken. Wir werden nicht alles schaffen. Nur kleine Dinge. Aber wie er sagte:

Parvae res magnum momentum – kleine Dinge, große Wirkung